Umstrukturierung der Unternehmensorganisation und Auswirkungen für den Faktor Mensch

Die Umstrukturierung der Organisationsstrukturen haben einen direkten Einfluss sowohl auf die Arbeitsorganisation als auch auf die Individuen.

Von Liliane Held-Khawam, Autor des Buches „Management by Coaching: Coping with Complexity in a Changing World“.

Die Umwälzung der Arbeitsorganisation

Von einer stabilen hierarchischen Unternehmensstruktur

Die Anzahl der Zwischenstufen zwischen der Unternehmensführung und der Organisationsbasis war bisher ziemlich gross. Beförderungen wurden vor allem auf die technischen Kompetenzen begründet. Die Anzahl der ausgeübten Tätigkeiten war begrenzt. Der Mitarbeiter suchte nicht unbedingt Eigeninitiative zu zeigen, tatsächlich erwartete man eher das Gegenteil von ihm. Der Begriff der Kundenorientierung begann in der Unternehmenskultur solcher Organisationen an Wichtigkeit zu verlieren, da jeder damit beschäftigt war, seine Einheit beinahe zum Selbstzweck funktionieren zu lassen. Die Reaktionszeiten waren sehr lang und das Entscheidungstreffen ziemlich langsam. Für unzählige Mitarbeiter war dies eine glückliche Periode. Die Risiken waren tatsächlich sehr beschränkt, da sie ihrem beruflichen Umfeld nicht ausgesetzt und ihre individuellen Leistungen sehr schwer zu messen waren. Sie waren Teil einer grossen Familie, ihre Identität war mit deren des Unternehmens verschmolzen.

…zu einer „flachen“ Unternehmensstruktur

Gegenüber einer Globalisierung der Märkte mit immer anspruchsvolleren Kunden, einer erhöhten Anfrage nach personalisierten Produkten und Dienstleistungen, einer von überall herkommenden Konkurrenz, die in etwa die selben Produkte zu einem immer tieferen Preis anbietet, waren die Unternehmen dazu gezwungen, ihre komplexen, schwerfälligen und oft ziemlich ineffizienten Strukturen radikal neu zu gestalten. Es ist die Periode in der „Total Quality Management“, „Customer-oriented Organization“, „Intrapreneurship“ und kürzlich „Business Process Reengineering“ (Artikel) Programme erschienen sind.

Die prozess-orientierte Organisation (oder „Organisation in Arbeitsfluss“) führt dazu, den (internen oder externen) Kunden ins Zentrum des Unternehmens zu setzen. Die verschiedenen Dienstleistungsbereiche organisieren sich also um den Kunden herum. Man kommt zu einem Funktionieren in Arbeitsfluss wobei die verschiedenen Etappen des Produktionsprozesses miteinander integriert werden. Das Hauptziel ist, die Reaktionszeit des Unternehmens zu vermindern, indem der Weg zwischen der Bestellung und der Lieferung der Produkte/Dienstleistungen bestmöglich verkürzt wird. Infolgedessen werden die Abgrenzungen zwischen den Abteilungen aufgehoben; man flacht die Strukturen ab, reduziert die Anzahl der amm Arbeitsfluss beteiligten Mitarbeiter und vereinfacht das Funktionieren der Organisation.

Diese Prinzipien scheinen derart einfach und natürlich, dass die Mehrheit der Unternehmensleiter und Berater der Meinung sind, es reiche die Strukturen, den Arbeitsfluss und die Prozeduren zu ändern, um die Effizienz der Organisation zu steigern. Einige gehen sogar so weit zu sagen, die Qualität der Struktur sei der einzig entscheidende Faktor für den Erfolg eines Unternehmens.

Die Auswirkungen für den Faktor Mensch

Aber in Wirklichkeit haben Veränderungen der Arbeitsorganisation einen direkten Einfluss sowohl auf die Mitarbeiter wie auch auf die Manager. Die Konsequenzen werden einen Impakt haben:

  1. auf die technische und technologische Achse: Vielseitigkeit, Anpassung an die Bedürfnisse der Kunden, erhöhte Reaktionsfähigkeit, Vergrösserung der Arbeitslast, Rationalisierung der Arbeitsflüsse… (cf. L. Held, Menschliches Potenzial und organisatorischer Wandel, Schweizer Arbeitgeber N°2, 18.1.96, Seiten 78-82)
  2. auf die persönliche Achse: viel stärkere persönliche Aussetzung mit erhöhten Verantwortlichkeiten, globalerer Vision, wichtigeren Kommunikationsprozessen…

Diese Auswirkungen schonen weder die Führungskräfte noch die Mitarbeiter.

Auswirkungen für alle Mitarbeiter

Jeder Teilnehmer spielt in einem solchen Prozess eine lebenswichtige Rolle: es geht tatsächlich darum, den Bedürfnissen seines eigenen Kunden (d.h. alle Funktionen, die ihm im Arbeitsfluss folgen) auf optimale Art zu begegnen. Ausserdem ist es unerlässlich, dass er bei jeder Änderung der Bedürfnisse des Endkunden und bei jeder Neuerung im Arbeitsprozess eine schnelle und passende Reaktion zeigt. Unter den heutigen Marktbedingungen braucht es seitens des Mitarbeiters demnach sowohl eine ständige Wachsamkeit, wie auch eine immer kürzere Reaktionszeit.

Es soll noch hervorgehoben werden, dass der Mitarbeiter immer weniger auf die Unterstützung seines Vorgesetzten zählen kann, da jener selbst an mehreren Fronten im Einsatz ist. Er ist also oft dazu gezwungen, Entscheidungen selbst zu treffen,  Verantwortung zu übernehmen, und sogar künftige Entwicklungen vorauszusehen.

Der Mitarbeiter kann also nicht mehr in Deckung bleiben. In einer hierarchischen Organisation war er in Strukturen und Prozessen integriert, die seinen Tätigkeitsbereich und dessen Funktionieren bedingten. In der prozessorientierten Organisation werden seine Kompetenz- und Inkompetenz-Bereiche aufgedeckt. Man verlangt von ihm ein erhöhtes Niveau an VerantwortungssinnAnpassungsfähigkeit und Antizipation. Er muss also Kompetenzen entwickeln, die er bis anhin weniger benötigte. Er muss improvisieren, koordinieren und Initiativen ergreifen, ob in einem Team oder allein.

Auswirkungen für den Manager

Die Struktur benötigt viel weniger Mittler zwischen der Unternehmensführung und deren Basis. Kosten und Belegschaft müssen reduziert werden. Es wird von den Mitarbeitern verlangt, dass sie mehr zum Endresultat beitragen, ob in Menge oder Qualität. Die Häufung verschiedener Funktionen ist keine Ausnahme mehr. Ein Manager, der früher 10 Personen unter sich hatte, muss heute 20, 50 oder 100 Personen leiten. Das Verantwortungsniveau steigt und die Tätigkeitsbereiche vermehren sich.

Dazu ist die Unternehmensstrategie nicht immer kristallklar. Da die Verteilung der Verantwortungen neu ist, kann sie tatsächlich etwas unklar sein, wodurch sich ein Klima der Unsicherheit einstellen kann. Pflichtenhefte, da sie eine Quelle von Steifheit sein können, werden aufgegeben. Der Manager ist dazu gezwungen, Risiken einzugehen, die er vorher nie hatte nehmen müssen. Der Begriff „Leistung“ nimmt eine zentrale Rolle ein, mit direkten Konsequenzen auf die berufliche Zukunft und die Entlöhnung der Mitarbeiter. Manager bekommen mehr und mehr den Eindruck, dass sie auf einem Schleudersitz sitzen. Sie wurden tatsächlich kaum auf ihre neue Rolle vorbereitet und verfügen über weniger Zwischenetappen, um sich im Managementbereich auszubilden und neue Techniken zu erproben.

Da die Tätigkeiten integriert oder sogar zusammengefasst sind, ist es nicht mehr möglich, alle technischen Angelegenheiten zu beherrschen. Der Manager wird sich viel mehr als früher auf seine persönlichen Fähigkeiten (Koordination, Enthusiasmus, Leadership, Kommunikation…) stützen müssen, um sein Team zu mobilisieren und führen.

Die Vielseitigkeit (im Gegensatz zur Spezialisierung) wird zu einem entscheidenden Trumpf. Genauso wird die Fähigkeit, komplexe Situationen zu analysieren und verwalten ein „Must“, um beruflich voranzukommen.

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